Ein mausiges Frühstück
Wie viele Leute
wohl sonst noch ihren Wecker stellen, um eine Maus zu zerlegen? Es ist keine
sonderlich schöne Aufgabe so früh am Morgen; Mausinnereien haben einen recht
eigenartigen Geruch, und das sanfte Nachgeben der kleinen Knochen, des Fells
und des Fleischs unter dem Druck meiner Schere ist irgendwie gruselig.
Mit einem
weiteren Schluck Kaffee trinke ich mir Mut für diesen unschönen Aspekt meiner
Rolle als Eulenziehmutter an und schnippele den Mäusekopf in schnabelgerechte
Stücke. Rechts von mir fiepen die drei kleinen Sägekäuze hungrig, links von mir
toben die vier Monate alten Schwarzbärzwillinge Nahanni und Logan wie die
Wilden. Sie üben sich in Bärenfertigkeiten wie dem Zerfetzen von morschem Holz
und Prankenschlägen. Ihren Wassernapf haben sie offenbar wieder für ein
morgendliches Fußbad genutzt und dem Boden mit ihrem überall verstreuten
Löwenzahn und Gemüse ein wiesenartiges Ambiente gegeben.
Nachdem ich die
Maus zerlegt habe, setze ich die kleinen Käuze in eine durchsichtige
Plastikschale, die mit Küchenkrepp ausgelegt ist. Ein richtiges Nest haben die
Kleinen nun nicht mehr; ihrs war unabsichtlich zerstört worden, als ein Baum
gefällt wurde. Betroffen hatte der Grundstückseigner, der von dem Eulennest
nichts gewusst hatte, die erst ein paar Tage alten Vogelkinder ins Northern
Lights Wildlife Shelter gebracht. Erst eins hatte schon die Augen offen.
Jetzt sind sie
ungefähr so groß wie ein Tennisball – ein sehr wuscheliger Tennisball, denn sie
bekommen bereits ihre dunkelorangen und grauen Federn. Ein wesentlich schönerer
Anblick als zuerst, wo sie mich an Pingpongbälle erinnerten, an denen
Wäschetrocknerflusen kleben geblieben waren. Die drei Käuzchen richten ihre
gelben Augen auf mich, unter denen der breite Schnabel wie ein
Guten-Morgen-Lächeln wirkt.
Das Frühstück
besteht aus weniger Maus als bisher, da die kleinen Käuze zu schnell an Gewicht
zugenommen haben. Jetzt wedeln wir die Mausstücke nur kurz mit der Pinzette vor
den Vögeln hin und her, statt ihnen wie zuerst damit an den Schnabel zu tippen.
Ein hungriges Käuzchen wird sich sein Futter schnappen; bleibt der Schnabel zu,
ist der Vogel voll.
Die beiden
größten Käuzchen schnappen nach dem Mausebein, das im Nu im roten Schlund des
mittleren Vogels verschwindet. Der Kauz fixiert mich während des Schluckens mit
seinem gelben Blick. Ich biete Eingeweide, mehr Beine und Teile des Mausekopfs
an, und je mehr die Maus schwindet, desto mehr verliert sich auch das Interesse
der Käuze daran. Die gelben Augen lassen von meinem Gesicht ab und fallen zu.
Müde kuscheln die kleinen Vögel sich aneinander.
Die drei in ihren
Käfig zurückzusetzen ist nicht mehr so einfach wie zu Anfang, denn inzwischen
packen sie mit ihren Krallen schon fest zu. Das größte Käuzchen krallt sich an
meinem Finger fest, flattert mit den halbbefederten Flügeln und klappert mich
mit dem Schnabel an, als ich es aus der Futterbox hole. Die Geschwister sind
als nächstes dran, und dann heißt es für mich, meine Mausschlachterutensilien
abzuwaschen und den kleinen Bären ihre Milch zuzubereiten. Es ist eine etwas
andere Art, den Tag zu beginnen, aber trotzdem schön.
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