Die schwarze Nase, die aus dem Futterloch in der Bärentonne ragt, zuckt
und inhaliert die vielen neuen Gerüche: Zedern, Wildblumen, Straßenstaub. Dann
ein bekannter Geruch – meiner. Die hellbraunen Augen begegnen meinem Blick.
Berbere, der Schwarzbärjährling, um den ich mich gekümmert habe, seit er im
Oktober viel zu klein und untergewichtig um Northern Lights Wildlife Shelter
ankam, sieht mich verstört an.
Er ist mit drei andern Jährlingen aus seinem Gehege in der Bärentonne
gefangen und ist über eintausend Kilometer vom Wildlife Shelter zurück in seine
Heimatregion gefahren worden. Ich atme den würzigen Bärengeruch ein, der aus
der Tonne weht, und sage den halbwüchsigen Bären, dass alles gut wird, dass sie
bald frei sein werden. Wenn sie mich doch nur verstehen könnten.
Aber vielleicht können sie es irgendwie, denn sie sind äußerst brav. Wir
haben insgesamt zehn Bären in zwei Tonnen und drei Transportkisten dabei, und
es sind keine Kämpfe ausgebrochen. Noch nicht einmal Stresslaute geben sie von
sich. Können sie sich noch daran erinnern, wie sie letztes Jahr dieselbe
Strecke transportiert wurden, als sie klein, verwaist, verängstigt und außer
sich vor Kummer waren?
Staubwolken wehen hinter unseren Pickups, als wir die holprigen
Schotterstraßen zu der abgelegenen Stelle fahren, die die Wildhüter als
Auswilderungsort ausgesucht haben. Ein Seitental öffnet sich nach links. Wir
fahren langsamer und parken so, dass die Bärentonne zu dem Tal hin geöffnet
werden kann. Die Staubwolke senkt sich, und es ist still bis auf das Tosen des
Wildbachs unten in der Schlucht. Die Bären sind ruhig, aber angespannt. Es ist
soweit – die ist der Augenblick, auf den wir all diese Monate hingearbeitet
haben.
Ich bin zwischen überwältigender Freude, dass unsere Bären endlich ihre
Freiheit wiederhaben und ihr wildes Leben führen können, und überwältigender
Traurigkeit, weil ich sie nie wiedersehen und nie wissen werde, was aus ihnen
geworden ist, hin- und hergerissen. Der erste Bär schaut aus der offenen Tür
der Tonne heraus, wittert, zögert. Vorsichtig springt er hinaus und beginnt, in
der Erde zu scharren. Seine Schwester folgt ihm, macht ein paar Schritte. Ein
dritter Bär springt hinaus in die Freiheit und läuft sofort auf die Bäume zu,
woraufhin auch die andern beiden zu rennen anfangen. Und Berbere? Ich warte. Nichts passiert.
Ich gucke in die Tonne und sehe, dass er an dem Metallgitter an der
Vorderseite der Tonne hängt, sich die Freiheit immer noch durch Gitterstäbe
anschaut. Schließlich lässt er los und geht langsam an die offene Tür. Er bleibt stehen, schnüffelt
in Richtung Boden. Ich halte den Atem an. Er springt runter, schaut sich um und
hört, wie einer der andern Jährlinge in den Bäumen blafft. Als ob das sein
Zeichen gewesen wäre, loszulaufen, setzt Berbere sich in die entgegengesetzte
Richtung in Bewegung. Ein kurzer Blick zu mir hin, und dann fängt er an
zu rennen. Er springt die Böschung hinunter, und dann ist er fort, aus meinem
Leben verschwunden, in eine Zukunft ohne Zäune und Futtereimer.
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Berberes letzter Blick auf mich |
Ich hoffe, dass er ein reiches und erfüllendes Leben haben wird, und dass
er die Chancen nutzen wird, die die Natur ihm bietet. Berbere und Hunderte
anderer Tiere würden nicht am Leben sein, wenn es nicht Menschen gegeben hätte,
die den zuständigen Wildhüter alarmiert haben, und wenn der Wildhüter nicht
entschieden hätte, die kleinen Waisen zum Northern Lights Wildlife Shelter zu
schicken, dass Angelika und Peter Langen vor 27 Jahren gegründet haben.
Wildtiere aufzupäppeln hilft uns nicht nur, diese Tiere besser zu verstehen und
die negativen Einwirkungen, die die Menschheit auf Tierbestände haben, etwas
abzuschwächen. Es zeigt auch, zu welch wunderbaren und uneigennützigen Taten
die Menschen fähig sind. Berbere ist ein Symbol dafür.
Endlich wieder Nachrichten von dir. Bittersuesse.
AntwortenLöschenDu hast wunderbare Erfahrungen da gemacht mit den Tieren, um die ich dich beneide. Und nun musst du sie gehen lassen, die dir Freunde geworden sind. Du erzaehlst wieder sehr eindringlich. Danke dafuer!
Und den Baeren, und den Kaeuzchen, und allen anderen, alles Gute!
Ja, inzwischen eher bitter als süß ... zwar ist von meinen Bären keiner in einem der Waldbrandgebiete, aber die meisten sind in Gegenden, wo es seit dem Juni nicht mehr geregnet hat und wo es so heiß ist. Ich weiß nicht, wie und wo sie dort genügend Beeren finden können, um zu überleben. Es muss ja alles völlig verdörrt sein.
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